Der Vilm im Süden von Rügen, September 2014.
Der Vilm? Nein, kein Rechtschreibfehler. Das Erste, was uns Andreas Kuhfus bei seiner Führung über die Insel Vilm erklärt, ist die Herkunft des Namens aus dem slawischen ilumu, was in etwa Ulme bedeutet. Und: der Name wird mit dem Maskulinum verwendet. Also: der Vilm.
Auf dem Vilm im Rügischen Bodden konnte sich bis heute die Natur der südlichen Ostsee nahezu ungestört von menschlichem Einwirken entwickeln. Schon 1936 wurde sie unter Naturschutz gestellt. Die Insel ist gerade mal zweieinhalb Kilometer lang. Und sie „lebt”: Was Wellen und Wetter an den Kliffs und Sandriffen abtragen, spülen sie an anderen Stellen wieder an.
Wir streifen durch den Naturwald, dem seit Jahrhunderten kein Forstwirt mehr Nutzen abverlangt hat. Einige der riesigen
Buchen sind dreihundert Jahre alt. Vierhundert Jahre hat die Stieleiche auf der buckligen Rinde, um die sich Exkursionsteilnehmer scharen und ihre Kameras zücken.
Auf früheren Sandmagerwiesen haben sich Schlehdorn, Weißdorn, Wildrosen, Wildbirne und Holzapfel angesiedelt. Um die 500 Arten von Farn- und Blütenpflanzen wachsen im Wald- und Grasland, Röhricht und Sumpf. Wir lernen, dass in den feuchten, kalkreichen Böden des Waldes Bärlauch zusammen mit Leberblümchen, Annemonen, Waldveilchen und Lerchensporn einen zauberhaften Blütenteppich bilden. Waldgeißblatt schlingt sich als Liane meterhoch in das Geäst der Bäume.
Seit 1996 gleiten wieder Seeadler mit ihrer Flügelspannweite von zweieinhalb Metern über das Eiland. Alte hohle Bäume bieten Brutplätze für Waldkauz und Gänsesänger. Brandgans und Uferschwalben haben Nisthöhlen im Steilufer angelegt. Im Boddengewässer fischen Graureiher und Kormorane.
Einen frühen Liebhaber hatte der Vilm mit Caspar David Friedrich (1774 bis 1840). Der Maler der Früh-Romantik schuf neben Werken über die rügensche Küstenlandschaft um 1810 herum das Bild Landschaft mit Regenbogen, das die Insel Vilm im Boddengewässer zeigt.
Das Adelsgeschlecht Putbus, als Besitzer der Insel Vilm erstmals 1249 erwähnt, wurde im Zuge der Bodenreform 1945 enteignet. 1959 wurde die Insel für den Besuchsverkehr gesperrt und als Urlaubsdomizil für hohe Staatsfunktionäre der DDR eingerichtet – mit elf Ferienhäuser im Stil einer Fischersiedlung. Seit der Wende werden die Gebäude ab 1990 von der Internationalen Naturschutzakademie genutzt. Während sich früher 62 Staatsbedienstete um das Wohl der privilegierten Politiker kümmerten, sind jetzt 64 Mitarbeiter damit befasst, im Naturschutz internationalen Erfahrungsaustausch, Forschung, Seminare und Tagungen zu organisieren.