Rambin, Mai 2016. „Rügener Insel-Brauerei“ ist auf seinem schwarzen Polohemd zu lesen. Und „Markus“. Hier, am Ortseingang von Rambin, pflegt man einen lockeren Umgangston mit Vornamen und legerer Freundlichkeit. „Zur Eröffnung im letzten August glaubten wir noch, die Kapazität würde für die nächsten fünf Jahre reichen, nach drei Monaten waren wir bereits am Limit,“ wundert sich Brauereigründer Markus Berberich noch heute. Mit einem solchen Sprung in der Nachfrage hatte er nicht gerechnet.
Über die im jüngsten Bauausschuss der Gemeinde beratene Änderung des Bebauungsplans zur Erweiterung der Gewerbefläche will er eigentlich gar nicht lange reden: „Wichtige Zukunftsperspektive, aber jetzt geht es erst mal darum, die Erweiterungsinvestitionen in den bestehenden Räumen zu stemmen.“ 300.000 Flaschen handwerklich gebrautes Bier monatlich, das ist der kurzfristige Planungshorizont für die derzeit laufende Erweiterung. „Die Produktionskapazität wird bis kommenden August gegenüber jetzt verdreifacht, sonst könnten wir die Nachfrage bald nicht mehr bedienen“, sagt Brauereichef Berberich. Das Kunststück werde ohne Erweiterungsbau gelingen, weil im Mai der flächenintensive Versandbereich an eine Logistikfirma ausgelagert werden konnte. In die freigewordenen Räume kommen zusätzliche Brauanlagen und Reifekammern, im Sommer dann die Erweiterung der Abfüllanlagen. Berberich rechnet mit weiter wachsender Nachfrage, dann käme man um einen Erweiterungsbau nicht herum. Deshalb die im Bauausschuss der Gemeinde beratene Änderung des B-Plans, mit der auf jetzt kaum genutzten Parkflächen zusätzlich ein „eingeschränktes Gewerbegebiet“ ausgewiesen würde.
Und mit dem Standort sind alle in Rambin zufrieden. Die Gemeindevertretung, weil Arbeitsplätze entstehen und weitere Gewerbesteuer in die Ortskasse fließt. Und der Brauereichef, weil Rügen das Image seiner Produkte veredelt: „Die schönen Bilderwelten der Insel verbinden wir mit Genussanlässen.“ Eine Win-Win-Situation, denn „mit jeder verkauften Flasche präsentieren wir auch ein kleines Stück Rügen.“ So seien die Produkte der Brauerei auch Botschafter der Insel im In- und Ausland.
Kann man so sagen, denn das Edelbier aus Rambin wird inzwischen international nachgefragt: Lieferverbindungen gibt es unter anderem mit Island, Israel, Holland, solche mit Russland und Frankreich stehen kurz vor dem Abschluss. Und deutschlandweit läuft es sowieso. „Wir sind bei zahlreichen Einzelhandelsketten bundesweit präsent,“ hört man in der Brauerei. Natürlich auch in Brauereifachmärkten und im Großhandel. Schwerpunkte gebe es in Sachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hamburg und Schleswig-Holstein. In der Gastronomie und im Hotelgewerbe sei die Nachfrage noch verhalten, findet Berberich. Das werde sich aber in den nächsten zwei Jahren beleben. Deutschland laufe dem internationalen Trend mit einem Zeitverzug hinterher.
Wie war dieser Blitzstart des kleinen Unternehmens möglich, zumal in einer strukturschwachen Region? Zum einen liegt es im Trend, von Massenprodukten in höherwertige Produkte zu wechseln, wo immer es das Portemonnaie zulässt. Im Ausland, vor allem in den USA und in Großbritannien, haben sich kleine Handwerksbrauereien schon seit Jahrzehnten etabliert. In Deutschland ist das noch eine junge Entwicklung. Bei Hobbybrauern wird kolportiert, dass eine Fernsehsendung des Wissenschaftsjournalisten Jean Pütz diesen Trend schon in den 80er Jahren beflügelte, nachdem der Moderator mit dem auffälligen Schnauzbart Anleitungen gegeben hatte, nach denen jedermann Bier handwerklich selbst herstellen kann. Davon hält Markus Berberich nichts, ihm ist professionelle Vorgehensweise lieber. Der ehemalige Geschäftsführer der Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund ist in der Szene international verwurzelt. Bei Fachveranstaltungen im In- und Ausland ist der 45-jährige Diplom- Braumeister vertreten. Vor zwei Jahren hätte kaum jemand im Geschäft für eine Flasche Bier mehr als einen Euro auf den Tisch gelegt. Dass jetzt bis zu sieben Euro für den Dreiviertel Liter Rügener Insel-Bier gezahlt werden, liegt im Trend von genussorientierten Verbrauchern.
Deutsche Bierkultur nach dem vielgerühmten Reinheitsgebot bietet eine begrenzte Vielfalt – vom allerorts verkauften Pils über regionale Berühmtheiten wie Düsseldorfer Altbier oder obergäriges Kölsch. Aus dem Bedürfnis nach Vielfalt hat sich daneben in Deutschland seit einigen Jahren eine Bier-Revolution entwickelt, die nach vielfältigen Geschmacksnuancen verlangt. Lange ist dieser Trend verpasst worden, jetzt schwappt er auch nach Deutschland über. Auf diesen Zug ist Berberich aufgesprungen. Mit seinen edel präsentierten, in stilvoll bedrucktem Papier gehüllten „seltenen Bieren“ fand er Aufnahme in sonst schwer zu erobernde Märkten. „Auf Produktbeschaffenheit in Originalität und Qualität, auch auf die Markenkommunikation. Unsere Produkte haben die höchsten Verkaufsfrequenzen in der Warengrupppe ,Craft-Biere’.“ Und auch die Besucherfrequenz in der Brauerei floriere bestens – mit Führungen durch Brauer und mit Proben im schummrig-gemütlichen Verkostungsraum. Das hier sei kein Restaurant, sondern Stätte der Bierverkostung mit Lagerverkauf. 75 Prozent der Gäste seien Touristen, freut sich der Brauereigründer im schwarzen Polohemd mit der Aufschrift Markus.