B 96n: Wie eine Schallglocke

Bürgermeister Christian Thiede (FDP): „Beton statt Asphalt, das war mit uns nicht abgestimmt“.

Bürgermeister Christian Thiede (FDP): „Beton statt Asphalt, das war mit uns nicht abgestimmt“.

Rambin, 22. Januar 2016. „Jetzt ist Schluss mit gut’ Wetter“, Rambins Bürgermeister Christian Thiede (FDP) meint damit nicht etwa den aktuellen Witterungsumschwung. Mit dieser Ankündigung in der Sitzung der Gemeindevertretung am 22. Januar hat er den Nerv vieler Bewohner seiner Gemeinde getroffen: Seitdem die neue Bundesstraße 96 für den Verkehr freigegeben ist, fühlen sich viele im Ort von einem nervenden Schallteppich überzogen. Erste Beschwerden von Einwohnern wurden bereits im Dezember bekannt. In der öffentlichen Sitzung wollten sich Einwohner darüber Luft verschaffen und in Erfahrung bringen, wie es nun weitergehen soll. Eines ist jedenfalls ist klar: Die Gemeindepolitik wird jetzt Druck machen und Nachbesserungen verlangen.

Zur Beschreibung der Situation holte Christian Thiede weit aus und warf den Blick in die Siebzigerjahre. Schon damals sei die Belastung der Bewohner entlang der Hauptstraße – die alte B 96 – erheblich gewesen. Zwar habe es deutlich weniger Verkehr gegeben, es seien aber schlimme Schadstoffe emittiert worden. „Die Zweitaktmotoren wurden damals noch mit verbleiten Kraftstoff betankt“, erinnert der Bürgermeister, „und nach der Wende ist der Güterverkehr großteils auf die Straße verlagert worden.“

Wie eine Schallglocke legt sich der Verkehrslärm der B 96n über die Tausend-Seelen-Gemeinde Rambin. Auch in dem rund 500 Meter Luftlinie entfernten Neubaugebiet beschweren sich Dorfbewohner.

Wie eine Schallglocke legt sich der Verkehrslärm der B 96n über die Tausend-Seelen-Gemeinde Rambin. Auch in dem rund 500 Meter Luftlinie entfernten Neubaugebiet beschweren sich Dorfbewohner.

Das und der zunehmende Tourismus, so wissen Anwohner der Hauptstraße, hatten erhebliche Zusatzbelastung gebracht – mehr Lärm, lange Staus, mehr Abgase. Als dann die ersten Pläne für den Bau der B 96n als Ortsumgehung bekannt wurden, gab es überwiegend Befürworter. Der damals geplante Streckenverlauf führte in großzügigem Abstand südlich vom Ortsteil Kasselvitz um Rambin herum. Man versprach sich Entlastung von Geräusch- und Schadstoffemissionen für die Bewohner, vor allem im Nahbereich der alten Bundesstraße. Entsprechend positiv hat die Gemeindevertretung in den Folgejahren das Vorhaben im Planfeststellungsverfahren begleitet.

Viel Infrastruktur führt den Verkehr auf die Insel Rügen. Neben der Bundesstraße 96 verläuft die Bahnlinie zu den Ostseebädern. Die B 96n soll im Dezember für den Verkehr freigegeben werden. Zusammen mit den Bahngleisen sind es dann sieben Fahrspuren auf denen sich der Verkehr künftig bewegt.

Viel Infrastruktur führt den Verkehr auf die Insel Rügen. Neben der alten Bundesstraße 96 (rechts) verläuft die Bahnlinie zu den Ostseebädern, daneben die dreispurige B 96n, hier noch in der Bauphase. Zusammen mit den Bahngleisen sind es dann sieben Fahrspuren, auf denen sich der Verkehr bewegt.

Von einem zum anderen Beteiligungsverfahren wurden die Abstände der Trassenplanung zum Wohnort immer kürzer. Sodass es schließlich aus Gründen des Vogelschutzes und in der Absicht, möglichst wenig Landschaft zu zerschneiden, zur sogenannten Trassenbündelung kam. Das besagt: Alte Bundesstraße, Bahnlinie und neue dreispurige B 96n wurden nach dieser Planung zu einem kompakten Verkehrsband auf der gesamten Ortslänge von Rambin zusammengeführt.

Schneller Straßenbau: in gut einer Woche war im Juli 2015 die Betonfahrbahn von Rambin bis Samtens fertiggestellt. Die Fahrbahn in Asphalt zu bauen hätte mehr Zeit und Geld erfordert.

Schneller Straßenbau: in gut einer Woche war im Juli 2015 die Betonfahrbahn von Rambin bis Samtens fertiggestellt. Die Fahrbahn in Asphalt zu bauen hätte mehr Zeit und Geld erfordert.

„Bedenken der Gemeinde wurden mit Hinweisen auf einen damals neuartigen ‚Flüsterasphalt‘ ausgeräumt“, so Thiede in der Sitzung der Gemeindevertretung. Diese Baumethode sei später von der DEGES („Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH”, die Projektmanagementgesellschaft von Bund und Ländern mit Sitz in Berlin) verworfen worden, weil sie in Tests auf anderen Strecken nicht nachhaltig funktionierte und der Erhaltungsaufwand zu groß wäre. Also sei „normaler Asphalt“ die verbliebene Option der Stunde gewesen. Der zusätzlich geforderte Bau einer Schallschutzwand sei nicht in die Planung aufgenommen worden, weil ein hinzugezogener Gutachter argumentiert habe, der Effekt wäre zu gering; zudem würden vorbeifahrende Züge die Fahrgeräusche in den Ort reflektieren. In den Abwägungsprozessen seien die Forderungen aus der Gemeinde schließlich „alle weggewägt worden“, wie Thiede es nennt, „die letzte Überraschung war der Bau der Betonfahrbahn – ein Verfahren wie es gelegentlich auf Autobahnen zur Anwendung kommt“. Das sei mit der Gemeinde nicht abgestimmt worden.

Verantwortlich für den Bau der B96n auf Rügen: Infrastrukturminister der Landes MV, Christian Pegel (rechts, SPD) und Joachim Rascher, Manager der Deges, ein Staatsunternehmen, das für den Bund und die neuen Länder Infrastrukturprojekte baut. Das Foto entstand im Juli 2015 bei einer Baustellenbesichtigung.

Verantwortlich für den Bau der B96n auf Rügen: Infrastrukturminister der Landes MV, Christian Pegel (rechts, SPD) und Joachim Rascher, Manager der DEGES, ein Staatsunternehmen, das für den Bund und die neuen Länder Infrastrukturprojekte baut. Das Foto entstand im Juli 2015 bei einer Baustellenbesichtigung.

Früher seien die Fahrgeräusche im direkten Umfeld der alten B 96 erheblich gewesen, aber nicht in den weiter dahinter liegenden Ortsteilen. „Das war auf eine ‚Tunnelwirkung‘ zurückzuführen und auf die Beschränkung mit Tempo 50,“ so der Bürgermeister, „denn die Bebauung und der Bewuchs entlang der Hauptstraße hielten die Geräusche im kleinräumigeren Bereich.“ Jetzt aber verlaufe die Trasse ohne Schallschutz in offener Landschaft und gefahren werde 100 km/h und mehr. Die Geräuschemissionen verbreiteten sich wie eine Schallglocke großräumig über den gesamten Ort – von der Rothenkirchener Anhöhe bis zum Trogbauwerk in Scharpitz.

Nach kurzer Diskussion war sich die Rambiner Gemeindevertretung einig: Man werde Nachbesserungen verlangen. Den dafür sinnvollen „Fahrplan“ wolle man in Kürze im Bauausschuss diskutieren.

Stein des Anstoßes: Waschbetonoberfläche und Dehnungsfugen. Diese Fahrbahnoberfläche ist nach Auffassung vieler Anwohner Ursache des Lärms.

Stein des Anstoßes: Waschbetonoberfläche und Dehnungsfugen. Diese Fahrbahnoberfläche ist nach Auffassung vieler Anwohner Ursache des Lärms.

 

Terminplan Schallentwicklung B 96n.pagesFür die zur öffentlichen Sitzung gekommenen Einwohner war der Verlauf dennoch nicht zufriedenstellend. Man hatte auf einen Meinungsaustausch mit den Gemeindevertretern gehofft. Dies jedoch hat der Bürgermeister abgelehnt mit Verweis auf die Hauptsatzung von Rambin, in der geregelt ist: „Die Fragen, Vorschläge und Anregungen dürfen sich nicht auf Beratungsgegenstände der nachfolgenden Sitzung beziehen“. Dafür werde man eigens zur Einwohnerversammlung für den 3. März einladen. Die an der Sitzung teilgenommenen Gäste berieten sich im Nachhinein und kamen zu dem Schluss, dass jetzt die Bürgerinteressen unabhängig von der Gemeindevertretung gebündelt werden müssten. Damit das auch funktioniert, benannten sie gleich Kathrin Stavenhagen als Ansprechpartnerin für interessierte Mitstreiter.

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